Auch mögliche Havarie- oder Störfälle wie z.B. beim Umgang mit Druckgasflaschen sollten in der Gefährdungsbeurteilung durchgespielt werden. So können Maßnahmen im Vorfeld festgelegt und ineffektive, kostspielige Hilfsaktionen vermieden werden.
Eine Mitarbeiterin stellt im Gasflaschenlager einen durchdringenden Chlorgeruch fest. Sie trägt eine undichte Chlordruckgasflasche mit angehaltenem Atem in den Hof und stellt sie kopfüber in einen Eimer Wasser.
Es kommt zu einer heftigen Explosion, bei der der Mitarbeiter schwer verletzt wird.
Da das Wasser das weiterhin ausströmende Chlorgas nicht lösen kann, wird die städtische Feuerwehr geholt. Wassersprühnebel und ein Entrauchungsventilator führen nur zu einer weiteren Verteilung, so dass das Areal immer umfangreicher abgesperrt werden muss.
Der Gefahrstoffbeauftragte alarmiert schließlich die Werkfeuerwehr eines benachbarten Chemiewerkes, die über ein gasdichtes Spezialbehältnis verfügt, in das die defekte Druckgasflasche hineingestellt und gefahrlos abtransportiert werden kann.
Die Chlordruckgasflasche mit undichtem Ventil und aufgeschraubter Schutzkappe hat als Unfallursache einigen Wirbel verursacht.
Die städtische Feuerwehr war auf spezielle chemische Gefahrensituationen nicht vorbereitet und konnte nur eine standardisierte Gefahrenabwehr betreiben. Es gab keine Gefährdungsbeurteilung bzw. Betriebsanweisung, wie im Havariefall vorzugehen ist.
Da Chlorgas bei Normaldruck eine Siedetemperatur von –34 °C hat, führt eine Kühlung der defekten Flasche zu einer Verminderung
der Gasentwicklung: Die Flasche hätte z.B. in ein ausreichend großes Fass mit Trockeneis
gestellt werden können. Bei Gasen mit deutlich
tieferem Siedepunkt können ggf.
Abdichtungskappen
zum kontrollierten Auffangen des Gases benutzt werden.
Es hätte außerdem im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festgelegt werden können, dass in solchen Fällen die Werkfeuerwehr mit ihrem Spezialbehältnis gerufen werden soll.
Die Unterbindung von Gasaustritt durch Abkühlung mit Trockeneis funktioniert nur bei Gasen mit einem Siedepunkt oberhalb von −78 °C (z.B. Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoff, Fluorwasserstoff). Bromwasserstoff oder Acetylen besitzen z.B. tiefere Siedetemperaturen, so dass diese durch Trockeneis nicht unterschritten werden können.
Bei Gasen mit tieferen Siedepunkten kann ggf. eine gasdichte Kappe mit seitlichem Flansch auf die undichte Flasche gesetzt werden, an dem wiederum ein Ventil angeschlossen werden kann, um das austretende Gas kontrolliert ablassen zu können.
Beachten Sie aber, dass derartige Kappen nur für Gase zugelassen sind, deren Bombendruck nicht zu groß ist, weil die Kappe unter zu hohem Bombendruck abreißen kann.